September 2024 – Iran – erste Tage im Norden
„Man reist ja nicht, um anzukommen, sondern um zu reisen.“
Johann Wolfgang von Goethe
Update 06.10.2024 – Eine Bemerkung vorweg:
Wir sind seit dem 01. Oktober in Kuwait. Wir hatten ganz wunderbare vier Wochen im Iran, aber in den letzten paar Tagen haben wir uns nicht mehr wohl gefühlt und uns deshalb entschieden, das Land zügig zu verlassen. Letztlich muss jeder selbst entscheiden, was er macht. Was für den einen ein inakzeptables Risiko ist, sieht für den anderen nicht so schlimm aus…
Während unserer Zeit im Iran haben wir nichts gepostet. Dazu war oft auch gar keine Gelegenheit. Die Artikel haben wir während der Reisetage geschrieben und sie fangen unsere jeweilige Stimmung ein. Wir veröffentlichen diese jetzt etwas zeitverzögert, haben sie absichtlich nicht neu bewertet. Los geht´s:
Donnerstag, 05. September – Wir sind im Iran
Nichts beschreibt unser jetziges Gefühl im Iran besser als dieses kluge Zitat von Johann Wolfgang von Goethe. Wir lassen uns treiben, haben keine Route, keine Ziele, nichts was wir unbedingt anschauen „müssen“. Eigentlich „müssen“ wir nur durch den Iran durch, um auf die arabische Halbinsel zu kommen. Eigentlich waren wir schon einmal im Iran, 2016, mit unseren Motorrädern. Kerman, die Wüsten Lut und Dasht-e-kavir, Yazd und Esfahan haben wir damals kennengelernt. Freunde sind ausnahmslos besorgt, weil wir in den Iran wollen, und raten uns bis zuletzt dringend ab. Das Auswärtige Amt hat eine Reisewarnung ausgesprochen…
Für uns wirkt die aktuelle Situation nicht bedrohlich. Nach unseren Erfahrungen sind die Menschen vor Ort mehrheitlich freundlich, neugierig und vor allem friedlich. Wir sind vorsichtig, nicht ängstlich. Wir wissen worauf wir uns einlassen. Nach dem relativ einfachen Bordercrossing von Armenien nach Iran fahren wir gespannt die ersten Kilometer in Richtung Khoy. Wir sind noch keine Stunde unterwegs, machen gerade eine kurze Pause, da kommt schon ein junges nettes Pärchen und begrüßt uns lachend: „welcome to Iran“. Diesen Satz werden wir noch hundertfach hören. Sie wollen uns einen schönen Platz zum Campen zeigen, wir fahren ihnen kurz entschlossen nach und verbringen einen sehr schönen Abend, kochen, essen und lachen zusammen. Ein toller Start in diesem Land.
Kurz nach dem bordercrossing werden wir von diesen beiden sehr herzlich im Iran begrüßt
... und zu einem schönen Parkplatz geführt. Hier sitzen wir dann zusammen, kochen und essen und lernen voneinander.
Unser erster Stop danach ist
Khoy,
denn wir haben eine Menge zu tun: Geld tauschen, Sim Karte besorgen, Autoversicherung abschließen, tanken… Auch in Khoy sprechen uns wildfremde Leute an, wollen uns einladen und freuen sich ehrlich, dass wir ihr Land besuchen. In Khoy treffen wir Erfan, eine Institution bei allen Overlandern, der uns bei all diesen organisatorischen Sachen hilft. Erfan ist professionell und effektiv, trotzdem brauchen wir für das Ganze zwei Tage. Wenn jemand nochmal über die deutsche Bürokratie schimpft, sollte er mal in den Iran kommen…
Erfan (links vorn) geht mit uns und Dirk und Silke zum Iran Cell Laden um sim Karten mit uns zu kaufen.
Dann wird getankt. Dazu muss man jemanden finden, der eine Dieselkarte hat (meist ein LKW Fahrer oder Tankwart) und bereit ist von seinem Dieselbudget etwas abzugeben. Für Erfan kein Problem. Wir tanken 100 Liter Diesel und bezahlen ca. 1,45€ (für 100 L nicht für einen...)
Ein Veterinär in Khoy: Nelly bekommt die dritte Impfung und wird gründlich untersucht. Sie ist kerngesund und hat keine Würmer oder Parasiten
Endlich haben wir alles, noch ein kurzer Stop bei einem Tierarzt, der Nelly sehr gründlich untersucht und uns bestätigt, dass sie kerngesund ist. Dann kann es losgehen. Unser erstes Ziel ist ein großer Salzsee,
Urmia,
gerade einmal 100km entfernt. Wir erreichen abends einen sensationell schönen Platz und können hier zwei Tage stehen. Genau so lieben wir das, nur Natur, Einsamkeit und Weite. Tja, und dann haben wir genau dort und gleich zu Beginn unserer Reise unser erstes (und einziges) negative Erlebnis. Mitten in der Nacht, wir beide schlafen tief und fest, klopft es mehrfach laut an der Tür. Totstellen hilft nichts, Jürgen schaut hinaus, da stehen drei Polizisten. Er öffnet, einer ist vollkommen betrunken, aber es gibt nur ein „welcome to Iran“. Da hätten wir gut drauf verzichten können…
Auf nach
Täbriz,
berühmt für seinen legendären Bazar. Hier merken wir, dass das Reisen mit Hund, noch dazu einem so jungen und verspielten, etwas anderes ist als alleine oder zu zweit. Wir haben mitten in der Stadt einen kostenlosen Campingplatz gefunden, dort muss Nelly natürlich immer an die Leine und das mag sie so gar nicht. Mit dem Taxi fahren wir zum Bazar und hier schauen uns die Leute gar nicht freundlich an. Mensch mit Hund gibt es im Iran eher selten, und in dem wuseligen Bazar fühlen auch wir uns mit dem wuseligen Hund nicht wohl. Trotzdem erhaschen wir einige dieser wunderbaren Eindrücke eines morgenländischen Bazars, in dem wir keine weiteren westlichen Touristen sehen, nur Einheimische. Phantastisch.
Der legendäre Teppichmarkt. Bazare sind meistens überdacht, oft mit solch schönen Gewölben
In den Bazaren gibt es wunderschöne Innenhöfe voller Pflanzen, Springbrunnen und hübschen Cafes
Die berühmte Moschee sehen wir nur kurz von außen. Hier will man uns nicht haben. Freundlich, aber sehr bestimmt, werden wir des Platzes verwiesen.
Und so machen wir uns auf den Weg aus Täbriz heraus und fahren eher gemütlich in Richtung Süden. Wir suchen und finden tolle Wildcampingplätze. Unser LKW begeistert uns mit seinen offroad Qualitäten. Durch ausgetrocknete Flussbetten, über schmale steile Schotterpisten, Wasserdurchfahrten, alles kein Problem.
Diese Naturplätze sind uns am liebsten. Wir haben keine oder nur sehr wenige neugierige Locals zu Besuch, Nelly kann ausgiebig stromern und wir leben einen unaufgeregten Alltag: kochen, lesen, fotografieren, Sonnenuntergang gucken, …
Nach einer heißen offroad Einlage durch ein trockenes Flußbett und eine steile Schotterpiste hinauf werden wir mit diesem Spot belohnt
Hier stehen wir etwas abseits von einem kleinen Dorf, ganz old school selber gefunden, ohne Apps: einfach abbiegen und gucken was geht
Genau wie hier...
Dann schließlich erreichen wir ein highlight unserer Reise, auf das wir uns sehr freuen:
Esfahan.
Wir erleben unfreundliche Menschen, finden keinen Übernachtungsplatz, stehen dann am besten Platz der Stadt, genießen persischen Flair, und - verlieren Nelly…
Davon, und wie es weitergeht, erfahrt ihr im nächsten Bericht.