Juli 2024 – Georgien – Eine Zeitreise. Auf den Spuren der alten Sowjetzeit
Nach diesem ungeplant längeren Aufenthalt in Tiblissi wollen wir nun weiterfahren und unser repariertes Zwischengetriebe testen.
Deshalb fahren wir zunächst keine wilden Pisten und nicht in einsame Nationalparks, sondern bleiben irgendwie in Werkstattnähe. Und wir werden zu MAN-Hypochondern, hören ständig in den LKW hinein, schrecken bei jedem kleinen Hüsteln zusammen. Aber es hört und fühlt sich alles gut an. Wir entspannen uns ein wenig. Unser nächstes Ziel ist
Gori,
die Geburtsstadt Josef Stalins. Hier gibt es ein – umstrittenes – Stalin Museum. Über die gut ausgebaute Autobahn fahren wir die 60km ohne Probleme und finden einen wirklich schönen Platz außerhalb der Stadt an einem kleinen Fluss. Wir hatten es schon bemerkt: hier ist alles ein bisschen wilder als in der hippen Hauptstadt oder den touristischen Plätzen. Die Zeit scheint irgendwo in den späten 80ern stehen geblieben. Die – bewohnten – Häuser sehen heruntergekommen aus, im Supermarkt gibt es leere Regale und der Strom geht mehrmals aus, alles sieht irgendwie grau und lieblos aus. Es erinnert an die letzten Tage des sozialistischen Arbeiter- und Bauernparadieses...
Das Stalin Museum ist in der Stadtmitte in einem gleichnamigen Park. Auch hier – postsozialistische Architektur und Tristesse. Genau wie wir es gelesen und erwartet haben, bietet das Museum lediglich ein paar Devotionalien aus der Stalinzeit. Sein Geburtshaus, ein Eisenbahnwaggon stehen im Garten. Das war´s. Nach etwa einer Stunde haben wir alles gesehen. Wir hatten vorher keine großen Erwartungen, konnten also nicht enttäuscht werden.
Aber ganz klar, es wäre wirklich an der Zeit, hier eine aussagekräftige und differenzierte Ausstellung zu kuratieren. Trotzdem sind wir irgendwie froh, das mit eigenen Augen gesehen zu haben.
Ein schöner Übernachtungsplatz am Fluss, nördlich von Gori. Die Brücke testen wir aber lieber nicht.
Angeblich das Geburtshaus Stalins
Stalin, einer der schlimmsten Massenmörder des 20. Jahrhunderts, wird als fürsorglicher Landesvater inszeniert.
Unser nächstes Ziel sind heiße Schwefelquellen in
Wani.
Im Internet gibt es phantastische Bilder von türkisfarbenen einsamen Becken. Die Wirklichkeit sieht so aus: ein stinkender Schlammtümpel mit einem kleinen Becken in der Mitte, das ständig mit irgendwelchem Wasser aufgefüllt wird, und in dem Menschen wie die Heringe sitzen, in der prallen Sonne Bier trinken und dabei russische Schlager anhören. Aber der Platz direkt am Fluss ist groß und so finden wir trotzdem einen schönen Übernachtungsplatz. Die (tierischen) Besucher stören uns nicht, im Gegenteil.
In einiger Entfernung der schlammigen Quelle stehen wir wieder sehr schön direkt am Fluß
Das Foto sieht schöner aus als der Platz tatsächlich ist...
... eine stinkende schlammige Kloake.
Auf geht´s zum nächsten Ziel, nicht nur ein Lost Place, sondern eine verlassene ganze Stadt, nahe
Tskaltubo.
Hier war früher ein zweifellos mondäner größerer Kurort. Mittlerweile wurde der Ort aufgegeben, mehrere Gebäude stehen verlassen und die Natur holt sich alles wieder zurück, Fast überall kann man direkt an die Gebäude fahren, sich alles anschauen, stehen und campieren. Es sind so viele Häuser, dass man hier Tage verbringen könnte. Warum der Ort verlassen wurde, warum nicht wenigstens einige Gebäude saniert und weiter genutzt werden, wissen wir leider nicht. Die Atmosphäre ist mystisch und gruselig zugleich.
Das ehemalige Sanatorium "Metallurgist"
Man kann den sowjetisch angehauchten mondänen Chic noch erahnen.
Und wieder stehen wir wunderschön im Schatten der großen exotischen Bäume.
Normalerweise würde unser weiterer Weg jetzt direkt in den hohen Kaukasus führen, in die bekannten Orte Mestia und Ushguli, zu den wirklich anspruchsvollen Pisten in über 2.500 Metern Höhe. Aber leider sind wir keine MAN-Hypochonder, die sich Krankheiten nur einbilden, sondern wir hören es beide ganz deutlich: unser Stony macht ungesunde Geräusche. Dem müssen wir auf den Grund gehen. Jürgen legt sich also wieder mal unter den LKW und prüft das Öl im Zwischengetriebe. Es ist rabenschwarz statt hell, und es zeigt sich feiner Abrieb darin. Das ist ganz und gar nicht gut…