Juni 2024 – Georgien – Erste Tage
Wir bekennen gleich zu Anfang: wir haben uns ziemlich schnell in dieses Land verliebt.
Der Grenzübergang war unproblematisch, alles lief zügig und ohne Probleme ab. Der Fahrer mit Fahrzeug muss allein durch das Prozedere, und der oder die Beifahrer müssen separat passieren. Nach nicht einmal einer Stunde hieß es schon, welcome in Georgia. Direkt an der Grenze gibt es sofort Büdchen, Geldwechsler, Sim Karten zu kaufen. Wir nehmen aber die Straße nach
Batumi.
Dort gibt es wieder einen unter Overlandern beliebten Stellplatz direkt an der Uferpromenade, in der Nähe des bekannten Riesenrades und der Innenstadt. Wir schwimmen mit im wirklich chaotischen und rüpeligen Straßenverkehr und finden den Platz sofort. Hier stehen bereits andere Reisende, großes Hallo und gute Laune stellt sich sofort ein. Wir fühlen uns auf der Stelle wohl. Mit dem Fahrrad geht´s kurz in die Stadt, Geld tauschen (zu einem deutlich besseren Kurs als an der Grenze, logisch), Sim Karte kaufen (Datenvolumen unlimited für 10€, HALLO…???!!!) und ein paar erste Eindrücke sammeln.
Die Mischung aus surreal modernistischen Bauten, morbidem oder liebevoll renoviertem Belle epoque und richtigem Sowietstyle finden wir unwiderstehlich. Stundenlang bummeln wir durch die trubeligen und auch stillen Straßen und Gassen. Abends bummeln wir die Promenade entlang, bewundern Ali und Nino, die beiden Statuen, die sich aufeinander zu- und wieder wegbewegen, essen Burger mit Pommes und trinken endlich wieder ein Bier.
Die Stadt hat uns bezaubert und wir empfehlen allen, hier einen kleinen Abstecher zu machen.
Wir reißen uns nach 2 Tagen los und wollen unseren ersten georgischen Pass fahren. In einer russischen Buchhandlung haben wir einen tollen Offroad Führer gefunden – 24 Pässe mit vielen Hintergrundinfos dazu sind enthalten, mit genauen Koordinaten. Dazu gibt es eine fb Gruppe: Overland Georgia, in denen die Mitglieder tagesaktuelle Infos austauschen: kann man Route 1 schon befahren, Achtung, Route 12 ist unpassierbar, hier liegen 12 Bäume auf der Strecke, usw.
Die Route 15, der Zekari Pass
ist eine leichte „Anfängerpiste“, auf dem Pass liegt ein schönes Plateau auf dem man sehr schön campen kann. Sagt das Buch. 130 km von Batumi aus. Genau das Richtige also. Verlässt man Batumi, zeigt sich schon bald das ungezähmte, wilde Georgien. Einfachste Dörfer, Kühe und Schweine auf der Straße, ziemlich schlechte Straßen. Aber auch saftig grüne Wiesen auf denen Kühe, Pferde und Schafe friedlich grasen, Naturidylle pur. Und auch teilweise perfekt ausgebaute Autobahnen (die Schilder zeigen, wer hier baut – China…). 130 km in Georgien sind nicht gleich 130 km in Deutschland, lernen wir. Wir brauchen deutlich länger als wir gedacht haben. Nachmittags entscheiden wir uns deshalb, ca 40 km vor dem Passaufstieg zu übernachten. Eine richtige Entscheidung, denn am nächsten Morgen geht es steil, wild auf teilweise ausgewaschener Schotterpiste in endlosen Kehren nach oben. Wir passieren Sairne, ein Kurort, und danach ist die Straße geschlossen. Steht jedenfalls da. Wir probieren es trotzdem. Und es geht. Höher und höher fahren wir, ohne einem Menschen zu begegnen. Dafür kreuzt ein Wolf unseren Weg.
Auf dem Plateau auf 2.000 m Höhe angekommen, sind wir sprachlos angesichts dieser Schönheit. Die Luft ist klar. Es ist angenehm kühl. Wir hören nur die unzähligen Bienen und Insekten und Vögel. Überall kann man hier hinfahren, picknicken oder campieren. Leider merken wir beide die für uns noch ungewohnte Höhe. Etwas Schwindel, Übelkeit und Kopfschmerzen merken wir alle beide. Also fahren wir wieder runter.
Erst jetzt erreichen wir die Passhöhe auf 2.348 m. Nebelschwaden wabern, wir haben den letzten Schnee passiert, und schrauben uns nun auf einer wirklich unterirdischen Piste Kehre für Kehre zurück ins Tal.
Einen einigermaßen geeigneten Übernachtungsplatz finden wir leider nicht, und so stellen wir uns im erstbesten Dorf neben die Straße unter einen Baum. Wir sind erledigt. 8,5 Stunden für 65 km (mit 1 Stunde Pause auf dem Pass). Anfängerpass, na ja…
Dann kommt ein Bauer vorbei, winkt uns zu und schenkt uns Käse und eingelegte Feigen. Am nächsten Morgen kommt eine Frau mit einem Topf frischer Milch. Geld lehnen beide vehement ab, ebenso wollen sie von uns kein „Gegengeschenk“, Schokolade oder so. Es wird uns häufiger passieren, dass wir einfach so etwas geschenkt bekommen.
Überhaupt begegnen uns die Leute ausnahmslos freundlich, zurückhaltend, sie sind stolz auf ihr Land und heißen uns herzlich willkommen. Da können wir Deutschen uns wahrlich eine dicke Scheibe von abschneiden. Spätestens jetzt beginnt unsere Liebe zu diesen Menschen, dieser Landschaft, zu diesem Land.
Die Milch schmeckt köstlich und nach dem Frühstück brechen wir auf in das 80 km entfernte
Vardzia.
Vor 900 Jahren haben Menschen hier Höhlen aus den Felsen geschlagen und darin gelebt. Laut wikipedia bis zu 50.000. Gegenüber dieser Höhlen befindet sich ein guter Stellplatz, auf dem man auch campieren kann. Ein Logenplatz direkt mit Aussicht auf die Höhlen. Dieser Platz tut uns gut, wir bleiben zwei Tage und kommen zur Ruhe. Dann sind wir neugierig auf weitere Offroad Pisten aus unserem Buch.
Achtung Spoiler:
Wir wollen auf jeden Fall nach Tiblissi, um unseren Stony rein vorsorglich nochmal richtig durchchecken zu lassen, bevor es weiter nach Osten geht. Noch ahnen wir nicht, was uns hier noch erwarten wird…
Gut so, denn so fahren wir gemächlich weiter in Richtung des
Paravani See.
Wieder nur ca. 85 km, aber wir fahren zum Teil quer durch´s Land, auf kleinsten Pisten und über Feldwege. Wir verfahren uns, müssen umkehren, andere Wege suchen. Es ist ein großer Spaß. Am See führt eine asphaltierte Straße entlang, aber auf der Westseite gibt es eine Piste. Natürlich nehmen wir diese.
Nach kurzer Zeit sind wir hier völlig alleine unterwegs. Lediglich ein paar Fischer sehen wir in einiger Entfernung. Die Piste ist lehmig, von tiefen Furchen durchzogen, mit wassergefüllten Schlaglöchern durchsetzt. Aber gut fahrbar. Nach einer Weile biegen wir einfach rechts ab, fahren auf die Wiese und beschließen hier zu übernachten. Es herrscht absolute Stille, nur die Natur macht ohrenbetäubenden Lärm: Frösche, Bienen, Hummeln, Vögel. Wir sind auf ca. 2000 m Höhe und es ist herrlich kühl.
Plötzlich steht ein Ford Transit neben uns, drei Männer steigen aus und wollen uns Fische geben. Ok, da können wir ihnen ja zwei abkaufen und grillen. Nichts da, mindestens 10 Fische holen sie hervor, wollen eine Schüssel mit Wasser, dann einen Topf, Gas, Salz, Tomate, … Die Fische, die teilweise noch zucken, so frisch sind die, werden an Ort und Stelle ausgenommen, in Stücke geschnitten und im Topf auf´s (Gas) -Feuer draußen gestellt. Sie nehmen unser angebotenes Bier gerne an, schauen sich neugierig unseren Stony an, sitzen auf einmal alle im Stony und es ist ein Riesenpalaver. Wir verstehen kein Wort, sie ebenso wenig, aber das macht nichts. Die Suppe ist total versalzen, aber auch das macht nichts. So schnell wie sie gekommen sind, sind sie dann auch schon wieder weg.
Kein Stellplatz ist 100% toll, und keiner ist 100% schlecht. Am nächsten Morgen strahlt die Sonne am stahlblauen Himmel. Phantastisch. Aber Millionen Stechmücken finden das auch. So kommt es, dass wir nicht draußen frühstücken, noch nicht einmal rausgehen wollen, und diesen wunderschönen Platz verlassen. Wir fahren die Piste am See entlang weiter. Es wird immer wilder, Die Piste teilt sich, es gibt mehrere Spuren, teilweise sieht man nur noch ein paar Steine, Spuren im Gras, es geht durch kleine Wasserrinnsale, durch ein verlassenes Dorf. Es ist so einsam hier, dass es einem mulmig werden kann.
Wir kommen aber gut voran. Stony fährt anstandslos durch dieses Gelände und wir sind glücklich. Es ist noch früh am Tag, deshalb fahren wir weiter, eigentlich ohne konkretes Tagesziel, in Richtung Tiblissi. 160 km entfernt. Es ist warm. Es wird heiß. Es wird voller. Noch immer etwas unentschlossen spulen wir Kilometer für Kilometer herunter. Die Straße schlängelt sich mal rauf mal runter. Tja, und dann sind wir kurz vor der Stadt, als es passiert. Stony ächzt und gibt komische Geräusche von sich. Das darf doch nicht wahr sein… Noch fährt Stony, aber immer wieder mit Aussetzern und unter Scheppern und Krächzen.
In Tiblissi gibt es auch einen unter Overlandern beliebten Platz, direkt neben der Sameba Kathedrale. Nur noch wenige Kilometer bis dahin liegen vor uns. Ob wir es aus eigener Kraft dorthin schaffen? Was ist mit Stony los? Was machen wir jetzt?